Zum Hauptinhalt springen

Heiße Rhythmen - Moderne Musikformen aus Pernambuco

Samba – Bossa – Strand - leichtbekleidete Brasilianerin. Das sind die üblichen Zutaten der Compilations brasilianischer Musik, die in Deutschland auf den Markt kommen.
Dass dies nicht alles ist, was Brasilien zu bieten hat, zeigt die 2007 in Deutschland veröffentlichte Compilation von Luaka Bop.

Nein, es ist auch nicht Samba Reggae oder ein anderer Musikstil aus Bahia. Der Titel verrät es, es ist Musik aus dem Nordosten, die man im weitesten Sinne Pernambuco zuordnen kann. Warum im weitesten Sinne? Weil nicht alle Gruppen und Musiker aus Pernambuco stammen, Pernambuco aber als Synonym für eine innovative Musikszene, vielleicht sogar die innovativste, die es zurzeit in Brasilien gibt.
Ausgangspunkt war und ist die Manguebeat-Bewegung, die durch den Journalisten und Musiker Fred Zero-Four (Autor Mangue Manifesto), Chico Science (die leider schon bei einem Verkehrsunfall verstorbenen Ikone der Bewegung) und weiteren Gruppen wie Nação Zumbi (frühere Band Chico Science), Mestre Ambrosio, Eddi und Mundo Livre in den frühen 90er Jahren des letzten Jahrhunderts ihren Anfang nahm. Die traditionellen Rhythmen Pernambucos wie Maracatu, Coco, Ciranda und Embolada steckten in einer Krise, wurden von der Jugend nicht mehr gehört und schienen keine Zukunft mehr zu haben. Sie wurden mit anglo-amerikanischen und englischen Musikstilen wie Punk, Rock, Funk, Rap, Grunge und elektronischen Einflüssen gemischt. Es war eine Zeit des großen Experimentierens, sodass jede Band auch ihren eigenen Sound gefunden hat, beziehungsweise sich immer wieder neu erfand.


Auf dieser CD sind nun einige mehr, aber auch unbekanntere Bands zu finden, von denen ich einige kurz vorstellen möchte:
Eddie mit ihrem Titel „Pode me chamar“ vom Album Original Olinda Style eröffnen den Sampler mit einem entspannten Liebeslied, einer Mischung aus Reggae, Frevo und einer Orgel, die sich aus 70er-Jahre-Einflüssen speist. Man kann sich dabei vorstellen sowohl in einer Strandbar zu sitzen als auch in einer verrauchten Kneipe. In Brasilien sind Eddi außerhalb Pernambucos vor allem im studentischen Milieu verankert, In Europa scheinen sie hauptsächlich in den Niederlanden eine größere Fangemeinde zu haben.


Otto, der einige Jahre in Paris lebte, ist mit seinem Hit „Bob“ vertreten, der auf seinem mit mehreren Preisen ausgezeichneten Album „Samba pra’ Burro“ zu finden ist. Der Perkussionist schafft es mit großer Experimentalität alle möglichen brasilianischen Rhythmen zu einer speziellen und unnachahmlichen Mischung mit elektronischem Beat zu verweben.
Cabruêra aus Campina Grande, Paraíba, sind musikalisch wohl am schwersten einzuordnen. Es ist ein vielleicht sogar gewöhnungsbedürftiger Sound aus Hard Rock bis Heavy Metall, gemischt wiederum mit traditionellen Rhythmen aus dem Nordosten,  präsentiert auch oft als Erzählungen aus der Geschichte des Nordostens. Bekannt sind sie zudem dafür, dass ihr Gitarrist Arthur Pessoa bei manchen Liedern seine Gitarre mit Hilfe eines Kugelschreibers anstelle eines Plektrons spielt. Ein Erlebnis sind sie allemal - auch live wie beispielsweise in Berlin 2003 beim Karneval der Kulturen.
Mit Mundo Livre S/A und Nação Zumbi dürfen natürlich die Urgesteine der Manguebeat-Bewegung nicht fehlen. Mundo Livre S/A mit ihrem unverwechselbaren psychedelischen  Sambafunk-Sound verbinden diesen zumeist mit einer politischen Botschaft.
Nação Zumbi haben sich nach dem Unfalltod von Chico Science 1997 entschlossen, weiter zu machen, und experimentieren immer noch mit den Zutaten Hip-Hop, Funk, Maracatu und Coco.  Dabei ist nicht zu verheimlichen, dass sie in der Hochzeit der Grunge-Bewegung bekannt wurden.    


Abgerundet wird der Sampler durch Alex Sant’Anna aus Aracaju, Sergipe. Verarbeitet hat er die Einflüsse bekannter Größen der brasilianischen Musik wie Jackson do Pandeiro, Raul Seixas und Luiz Gonzaga, dem König des Baião. Er vermischte Einflüsse traditioneller Musikstile wie Samba und Baião und fügte sie neu zu einer Verbindung zusammen, die einen auch an Lenine denken lässt, einem weiteren bekannten Musiker, der sich aus der Manguebeat-Bewegung heraus entwickelt hat. 

 
What’s happening in Pernambuco – New sound of the Brazilian Northeast 2007 www.luakabop.com compiled by Paulo André