Paulo Coelho - ein Phänomen?
Erster Versuch – der Jakobsweg. Der Jakobsweg ist wieder en vogue, spätestens seit ein deutscher Komiker den Weg beschrieb. Der Pilgerweg zieht sich seit dem 12. Jahrhundert quer durch Europa nach Santiago de Compostela in Nordspanien.
In den 70iger und 80iger Jahren des letzten Jahrhunderts erhielt die Pilgerfahrt einen Aufschwung und nachdem 1982 der Papst dort zu Besuch war, schrieb auch Coelho 1987 „O Diario De Um Mago“ (Tagebuch eines Magiers, jetzt: Auf dem Jakobsweg – Tagebuch einer Pilgerreise nach Santiago de Compostela). Der Autor ist auf der Suche nach dem Schwert seiner mystischen katholischen Bruderschaft und lernt auf 263 Seiten: der Weg ist das Ziel.
Zweiter Versuch – der Alchimist
Das bekannteste und bis jetzt wohl auch meistverkaufte Buch von Coelho ist immer noch der Alchimist (O Alquimista, 1988, deutsch zuerst 1991, dann 1996 im Diogenes Verlag). Der Hirte Santiago zieht auf der Suche nach einem Schatz zu den ägyptischen Pyramiden hinaus, um seine Träume zu leben. „Erst die Möglichkeit einen Traum zu verwirklichen macht unser Leben lebenswert.“
Dritter Versuch
– Der Sieger bleibt allein
„O Vencedor está só“ erschien 2008 und allein die hervorragende Übersetzung von Maralde Meyer-Minnemann (die auch die meisten anderen Werke übersetzte) machte das Buch lesenswert. Ein reicher eifersüchtiger russischer Millionär, ein arabischer Modezar, eine ehrgeizige us-amerikanische Schauspielerin, ein französischer Polizist und ein Model – sie bilden das Personal vor der Glitzerkulisse von Cannes. Ein Karussell der Eitelkeiten, Sehnsüchte und Machtspielchen; für Werte wie Geld und Ruhm sind die Protagonisten bereit, alles zu tun. Und scheitern schließlich. Und die Moral der Geschichte ist wieder: Lebe Deinen Traum, folge nicht den falschen Träumen.
„Veronika beschließt zu sterben“, „Brida“ und auch der aktuelle Titel „Schutzengel“ verstehen es mit abgewandelten Inhalten, immer wieder den Leser aufzufordern, seinem Leben Sinn zu geben, seinen Traum zu leben.{mospagebreak}
Die Biografie
Im Sommer 2010 erschien von den Fans die sehnsüchtig erwartete Biografie über Paulo Coelho. Fernando Morais, eigentlich ein politischer Journalist, nahm sich das Leben Coelhos vor, dessen Romane in 26 Sprachen übersetzt wurden, verkauft überschritten die Bücher weltweit die 100 Millionen Marke. Auf deutsch erscheinen die Bücher im Diogenes Verlag, die Übersetzungen von Maralde Meyer-Minnemann sind oft besser als das portugiesische Original. Morais selbst hat streckenweise eine ironische Distanz zum Objekt seiner Biografie, was Stil und Inhalt ganz gut tut.
Morais vollzieht akribisch das Leben Paulos Coelhos nach, vor allem an Hand seiner Tagebücher und Tonbandaufzeichnungen. Schon als Kind wollte er berühmt und reich als Schriftsteller werden, so beginnt er mit dem Tagebuchschreiben. Seine Kindheit und Jugend in Rio de Janeiro sind katholisch-traditionell geprägt. Er wird Drehbuchschreiber, verfasst Theatertexte und vor allem beginnt er sich für spirituelle, okkulte und ähnliche Praktiken zu interessieren und übt diese auch aktiv aus.
Während der Militärdiktatur stand die Hippiebewegung, zu der sich Coelho zählte, unter Beobachtung. So wurde auch er verhaftet, wahrscheinlich wegen einiger Rocksongtexte. Über diese drei Tage Haft liegen unterschiedliche Aussagen vor; inwieweit Coelho gefoltert wurde, schweigt er sich aus. Allerdings blieb er im Lande und konnte auch weiter arbeiten und Geld verdienen: Gegner der Diktatur wurden des Landes verwiesen, umgebracht oder lebten im Untergrund.
Zur damaligen Hippiekultur gehörte auch der Drogenkonsum, allerdings betont Coelho immer, dass er keine sog. harten Drogen nahm. Zu Beginn der 80iger Jahre fährt Coelho nach Europa und erfährt hier seine spirituelle Wandlung, weg von Satanskulten hin zu einer neuen Religiosität. Die Begehung des Jakobsweges 1986 wird für ihn zum Wendepunkt. Heute lebt er in Südfrankreich und in Rio de Janeiro.
Berühmt und reich sein hat Coelho erreicht, so dass er 2005, als er in Budapest zur damaligen Buchmesse kam, am Flughafen ‚maßlos enttäuscht‘ war, als ihn keine Fans, Reporter und Journalisten sofort zum Empfang bereit standen: ‚Hier-in-Budapest-wartet-niemand-auf-mich. Nein, niemand. Ich sagte niemand.‘ Erst als diese auftauchen, macht er den Eindruck, als würde er etwas Unvergleichliches genießen – nämlich seinen weltweiten Ruhm.
Leserschaft versus Kritiker
Können sich 100 Millionen Leserinnen und Leser irren? Und dazu kommt noch eine große Internetfangemeinde, denn nachdem Coelho anfangs aktiv gegen Raubkopierer seiner Bücher vorging, veröffentlicht er inzwischen (kostenlos) im Internet seine Ideen und Bücher.
Er beschreibt einfache Wahrheiten in einer einfachen Sprache – und dabei sind die deutschen Übersetzungen sprachlich besser als das portugiesische Original. Er stillt das Bedürfnis nach schlichten anspruchslose Weisheiten: „man muss immer wissen, wann ein Lebensabschnitt zu Ende geht. Indem man Kreise und Türen schließt, ein Kapitel abschließt.“ Und darin spiegeln sich wohl die Lebenserfahrungen vieler wider.
Nun, nicht jede/r mag Arno Stadler oder Melinda Abonji lesen, auch Jorge Amado, Rubem Fonseca und Patricia Rey, um in Brasilien zu bleiben, haben ihre Leserschaft. Doch Coelho bedient eine Klientel, die nichts anderes als Coelho verdient hat. Leider jedoch – ich habe ihn nicht verdient und eine Annäherung fand nicht statt.