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Quo vadis Brasilien?

Ein Rechtspopulist an der Regierung. Brasiliens Linke bangt um Demokratie und Menschenrechte.

Brasilien nach der Wahl: Der Alltag ist unverändert, kaum etwas erinnert daran, dass am letzten Oktoberwochenende ein erklärter Rechtsextremist zum Präsidenten gewählt wurde. „Nun sind schon mehrere Wochen seit der Wahl vergangen und unser Land hat sich nicht in eine Diktatur verwandelt“, ironisiert der landesweit bekannte Radiokommentator Ricardo Boechat.

Jetzt werde Brasilien halt von rechts regiert, so funktioniere die Demokratie. Das gesamte Establishment setzt auf gute Zusammenarbeit mit dem Mann, der Folter gutheißt und „das Land von linken Oppositionellen säubern“ will.
Die Massenmedien gaukeln ihrem Publikum völlige Normalität vor, während Bolsonaro just diese Medien als Verbreiter von Fakenews geißelt und einigen Zeitungen drohte, sie durch Missachtung bei dem Vertrieb staatlicher Anzeigen in den Konkurs zu treiben. Zugleich betont er bei jeder Gelegenheit, er werde die Verfassung und die demokratischen Institutionen achten. Und niemand im offiziellen Brasilien fragt sich, wieso ein demokratisch gewählter Präsident solche Versprechungen macht, die doch nur die zentrale Grundlage seiner zukünftigen Arbeit sind.
In sozialen Netzwerken wimmelt es von Berichten zu Übergriffen. Die meisten werden den Bolsominios, den fanatischen Unterstützern des Ex-Militärs Jair Bolsonaro, zugeschrieben. Warnungen zum Verhalten auf den Straßen haben Hochkonjunktur, vor allem bei Anhängern afrobrasilianischer Religionen und in LGBT-Kreisen. Und immer wieder Hinweise in der Art: Niemals die Faschos unterschätzen, sie sind jetzt am Ruder, haben die Polizei auf ihrer Seite und bestimmen selbst den Zeitpunkt, zu dem sie handeln werden.
Bolsonaro und sein Team legten sofort los. Nachdem der 63-Jährige bis zum Wahlsonntag jede Einladung zu einer Fernsehdebatte ausschlug, ist er nach der Wahl auf allen Sendern zu sehen – alleine und ohne Gegenspieler. Sein schwammiges Regierungsprogramm gewinnt langsam Konturen. Die Ministerien für Finanzen, Handel, Planung und Industrie werden zu einem Superressort Wirtschaft unter Führung des neoliberalen Chicago-Boys Paulo Guedes zusammengelegt. Trotz vehementer Kritik auch internationaler Umweltverbände wird die Zusammenlegung von Landwirtschafts- und Umweltministerium weiterhin erwogen. Da das Agrobusiness zu Bolsonaros aktivsten Unterstützern gehört, ist davon auszugehen, dass der Schutz von Wäldern und Ökoauflagen in Brasilien keine Rolle mehr spielen würden. Greenpeace sprach von einem „großen Fehler“.
Die umstrittene Rentenreform, die sein Vorgänger Michel Temer nicht auf den Weg bringen konnte, soll so schnell wie möglich zur Abstimmung gestellt werden. Die Gesetzesinitiative, die vor allem Ärmeren ihre Altersbezüge kürzt und viele Menschen mit geringerer Lebenserwartung ganz aus dem Rentensystem ausschließt, ist Teil der angekündigten Austeritätspolitik, mit der das Haushaltsdefizit ausgeglichen werden soll.
Das Justizministerium wird der prominente Anti-Korruptionsrichter Sergio Moro übernehmen. Vielen gilt der Jurist als Held, weil er zahlreiche Topmanager und Politgrößen hinter Gitter sperrte. Ex-Präsident Lula da Silva verurteilte er zu über neun Jahren Haft. Für dessen Verteidigung war es ein politischer Prozess, um Lula, der noch vor Monaten in Wahlumfragen mit weitem Abstand führte, vom Urnengang auszuschließen. Sie kritisiert eine Verurteilung ohne Beweise und die Vorgehensweise des Richters. Unter anderem veröffentlichte Moro 2016 einen illegalen Telefonmitschnitt der damaligen Präsidentin Dilma Rousseff mit Lula. Nachdem Moro die Einladung Bolsonaros annahm, beantragte Lulas Verteidigung umgehend eine Revision seiner Verurteilung beim Obersten Gericht. Begründung: Die Übernahme des Ministeramts mache deutlich, dass Moro nicht unabhängig urteilte, sondern den aussichtsreichsten Konkurrenten von Bolsonaro aus dem Rennen um das höchste Staatsamt werfen wollte.
Besondere Priorität soll die Sicherheitspolitik haben. Dazu gehört erst einmal eine Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters. „Wenn es nach mir ginge, sollten Jugendliche ab 14 Jahren für ihre Taten rechtlich einstehen“, sagte Bolsonaro. Da dies offenbar nicht durchsetzbar sei, müsse dieses Alter zumindest auf 17 gesenkt werden. Eine weitere dringliche Gesetzesinitiative sei die Straflosigkeit für Polizeibeamte im Einsatz. „Wer das Gesetz bricht, muss wissen, dass er etwas Falsches tut. Er wird entweder durch das Gesetz zur Rechenschaft gezogen oder erschossen.“
In mehreren Städten kam es in den Tagen nach der Stichwahl wieder zu Protesten gegen Bolsonaro. In São Paulo und Rio de Janeiro forderten Tausende Respekt vor der Demokratie und vor Meinungsfreiheit. Zuvor hatte er im Fernsehen betont, dass seine Drohung, „die roten Nichtsnutze aus dem Vaterland zu vertreiben“, sich auf die Führung der Arbeiterpartei PT und der linken Partei PSOL bezog.
In Rio de Janeiro ist es um den Rechtsstaat ähnlich schlecht bestellt. Der frisch gewählte Gouverneur Wilson Witzel – ein bislang völlig unbekannter ehemaliger Richter, der auf dem Bolsonaro-Ticket plötzlich 60 Prozent der Stimmen einheimste – will „die Sicherheitslage durch das Erschießen von bewaffneten Kriminellen“ stabilisieren. Er habe bereits eine Bestandsaufnahme über ausgebildete Scharfschützen in Reihen der Polizei in Auftrag gegeben und will gezielte Schüsse aus Hubschraubern erlauben, sagte Witzel im Fernsehsender „Globonews“. Im Bundesstaat São Paulo wurde der frühere Bürgermeister der Metropole, João Doria, zum neuen Gouverneur gewählt. Auch er gilt als Bolsonaro-Fan und setzt auf nationalistische, unternehmerfreundliche Politik.

Rückblick: der Wahlabend

Die Wahl 2018 bedeutet einen tiefen Einschnitt für die junge Demokratie Brasiliens. Für viele Linke war der Wahlabend traumatisch. In einer Kneipe im Zentrum von Rio de Janeiro verfolgt eine Gruppe junger Leute fassungslos die Fernsehübertragung der Auszählung. Das Ergebnis ist wie vorhergesagt: 55 Prozent, fast 58 Millionen Brasilianer und Brasilianerinnen, haben für den rechtsextremen Ex-Militär Jair Bolsonaro gestimmt. Das bisschen Hoffnung auf eine Trendwende, die in den letzten Tagen eines hektischen, verzweifelten Wahlkampfes plötzlich möglich schien, zerbricht. Viele umarmen sich, Tränen fließen. Aufmunternde Worte werden gemurmelt, doch sie kommen nicht gegen das an, was die Gegner Bolsonaros sich in diesem Moment fragen: Wie kann es sein, dass mein Land einen Faschisten, einen Rassisten, einen Frauenfeind wählt? Jemanden, der Brasilien wieder in die 70er Jahre der Militärdiktatur zurückbeamen will?
Einige Tische weiter bricht zur gleichen Zeit Jubel aus. „Mito, Mito, Mito,“ - zu Deutsch Mythos, wie Bolsonaro von vielen Anhängern genannt wird – wird in Sprechchören gerufen. Hupende Autos, darunter viele Taxis und Polizeiwagen, werden bejubelt. „Jetzt ist endlich Schluss!“, sagt ein Mann eher zu sich selbst und meint damit wohl ein Brasilien, das ihm schon lange nicht mehr gefällt. Fast kommt es zu ersten Wortgefechten. Wenige Ecken weiter – ist später im Internet zu lesen – gab es Verletzte, nachdem offenbar rechte Männer gegen Menschen mit Aufklebern von Fernando Haddad und seiner Arbeiterpartei vorgingen.
Haddad verlor die Wahl deutlich. Die Niederlage wäre ohne die Stimmen derer, die nur auf keinen Fall für Bolsonaro stimmen wollten, noch viel deutlicher ausgefallen. Er gestand seine Niederlage ein, gratulierte dem Sieger aber zunächst nicht. Zur Begründung sagte Haddad, Bolsonaro habe gedroht, ihn ins Gefängnis zu werfen. Seinen Anhängern sprach er im Fernsehen Mut zu: „Habt keine Angst, wir werden gemeinsam widerstehen.“ Die große Minderheit, die nicht für den Weg des Hasses gegen Andersdenkende, Frauen und Homosexuelle gestimmt habe, verdiene Respekt. „Es steht viel auf dem Spiel. Deswegen müssen wir die demokratischen Institutionen verteidigen und dürfen uns nicht provozieren lassen“, erklärte der ehemalige Bürgermeister von São Paulo.
In vielen Städten feierten Tausende den Wahlsieg Bolsonaros. In Rio de Janeiro versammelte sich eine Menge in grüngelben Nationalfarben vor seinem Haus am Strand des schicken Stadtteils Barra da Tijuca. Bolsonaro erschien nicht, doch verlas er vor seiner Haustür eine Presseerklärung. Anders als gewohnt gab er sich als Staatsmann, der seine Worte abwägt: „Meine Regierung wird die Verfassung, die Demokratie und die Freiheit verteidigen. Dies schwöre ich vor Gott.“ Er werde aus Brasilien eine große, wohlhabende und freie Nation machen. Er kündigte eine Entbürokratisierung des Staates an, und dass er „alles Ideologische“ aus den Schulen und dem Bildungsministerium verbannen werde. Als einziger Wert gelte die Familie. Und ohne zu merken, dass es eigentlich völlig überflüssig sein müsste, versprach er „Respekt vor unterschiedlichen politischen und religiösen Haltungen“.
Kurz zuvor schlug er auf Facebook, wo er sich medial viel eher zuhause fühlt als bei Presseerklärungen, einen weniger versöhnlichen Ton an. Er habe jetzt das Mandat, „unser Brasilien zu retten“ und dafür zu sorgen, dass die Zeit des Sozialismus nicht wiederkehre, sagte Bolsonaro mit Blick auf die Arbeiterpartei, die von 2003 bis 2016 regierte.
US-Präsident Donald Trump war laut Bolsonaro einer der ersten Gratulanten. Ein weiterer Staat, und diesmal eine wichtige Regionalmacht, ist nun fest in rechter Hand. Und der Präsident setzt neue Maßstäbe, denn zumindest im menschenverachtenden Diskurs ist er Trump, Orbán oder Erdogan um einiges voraus.

Rechtsruck nicht in ganz Brasilien

Auch die Gouverneure von 13 Bundesstaaten und des Hauptstadtdistrikts Brasilia wurden im zweiten Wahlgang neu bestimmt. In den drei bevölkerungsreichsten Staaten São Paulo, Minas Gerais und Rio de Janeiro gewannen jeweils konservative Kandidaten, die dem neuen Präsidenten politisch nahestehen. Im kleinen Bundesstaat Rio Grande do Norte gewann Fátima Bezerra von der Arbeiterpartei PT als einzige Frau einen von 27 Gouverneursposten. Abgesehen vom verarmten Nordosten, wo die PT oder ihre Bündnispartner alle Gouverneure stellen, rückte der Rest Brasiliens wie auch das Parlament und der Senat in Folge dieser Wahl deutlich nach rechts.
Jair Bolsonaro hat lange gewartet, bevor er zu seinem großen Coup ansetze. Faschistische Ansichten hegte er immer schon und sprach sie auch aus, wenn sich eine Gelegenheit bot. Hetze gegen Schwule, Rechtfertigung von Folter, Plädoyer für das Erschießen politischer Gegner. Doch er galt als Außenseiter, als Exot, der nicht ernst genommen wurde.
Mehr oder weniger unauffällig saß er seit 27 Jahren als Abgeordneter für den Staat Rio de Janeiro im Bundesparlament. Davor war er zwei Jahre Stadtverordneter in Rio. Bei den Massendemonstrationen 2013, die sich anfangs gegen Geldverschwendung für Fußball-WM und Olympia richteten und innerhalb weniger Tage in einen Protest gegen die Regierung von Dilma Rousseff mündeten, waren die Verherrlicher der Militärdiktatur (1964-1985) erstmals präsent. Die Bilder von Uniformierten auf Militärwagen gruselten, doch niemand dachte damals daran, dass diese Rückwärtsgewandten jemals politische Bedeutung gewinnen würden.
Doch die Militaristen blieben präsent. Bei jeder Gelegenheit zeigten sie sich, auch bei den Massendemos für die Absetzung von Rousseff 2016. Damals kam es zu einem Schulterschluss aller konservativen Kräfte Brasiliens mit dem erklärten Ziel, die gewählte Regierung der Arbeiterpartei PT loszuwerden, egal wie. Die Initiative übernahmen damals die Unternehmerpartei PSDB, die der PT in vier aufeinanderfolgenden Stichwahlen um die Präsidentschaft unterlag, und das Oligopol der privaten Massenmedien, die mehr Sprachrohr dieser Bewegung war als Berichterstatter. Mit dabei waren auch die sogenannten Zentrumsparteien (Centrão), die aus der Koalition mit der PT zur Opposition überliefen. Deren Motivation war offenbar die Beendigung der Korruptionsermittlungen, wozu Rousseff nicht bereit war – obwohl ihre Absetzung sowie die rechte Hetze gegen die PT vor allem mit dem Korruptionsvorwurf begründet wurden.
Beim landesweiten LKW-Streik im Mai dieses Jahres waren die Befürworter eines militärischen Eingreifens bereits so stark, dass sie in Zusammenarbeit mit der Polizei, die den Streik eigentlich beenden sollte, eine Führungsrolle übernahmen. Inzwischen meldete sich auch Bolsonaro unterstützend zu Wort. Im Landesinneren waren seit Jahresbeginn riesige Poster mit der Werbung „Bolsonaro Presidente“ an Landstraßen zu sehen – illegale Wahlwerbung, an der sich offenbar niemand störte.
Die Absetzung von Rousseff in einem umstrittenen Amtsenthebungsverfahren im August 2016 ist in mehrerlei Hinsicht der Ausgangspunkt für Bolsonaros Griff nach der Macht. Zum einen war es eine rechtsstaatlich fragliches Verfahren, das trotz Einhaltung des Instanzenwegs kein Fehlverhalten Rousseffs nachwies und eindeutig politisch motiviert war. Die Amtsübernahme durch eine durch und durch korrupte Clique um Übergangspräsident Michel Temer war der Beginn eines rechtsfreien Zustands, eines anything goes, der auch den Ruf nach einem starken Mann hoffähig machte.
Zum anderen nutzte Bolsonaro die live übertragene Parlamentsabstimmung über die Amtsenthebung zu einer seiner perversesten Äußerungen. Er widmete seine Stimme dem bekannten Folterer Carlos Alberto Ustra, der einst auch Rousseff mit Elektroschocks misshandelte. Oft wird gesagt, dass dies der heimliche Startschuss seiner Kampagne war.
Das breite Anti-PT-Bündnis war für den Ex-Militär allerdings nur ein Sprungbrett. Die konservative Elite wollte 2018 selbst an die Macht und Bolsonaro gelang es im Vorfeld der Wahl kaum, überhaupt einen Vize-Kandidaten zu finden. Seine (einstige) Kleinstpartei PSL ging ohne nennenswerten Koalitionspartner ins Rennen. Doch sein Kalkül ging auf: Wenn die traditionellen Konservativen aufgrund der Bürde von zwei Jahren unbeliebter Temer-Regierung keinen starken Kandidaten ins Rennen bringen, werde am Ende er selbst das rechte Lager vertreten. Hinzu kam, dass er den Anti-PT-Diskurs, den Medien und Konservative zu ihrer politischen Bibel erklärt haben, noch besser und radikaler in Szene setzte und dafür die Lorbeeren erntete: „Du wirst in deiner Zelle verrotten“, sagte er dem wegen Korruption verurteilten Ex-Präsidenten Lula da Silva. Und PT-Mitgliedern drohte er im Wahlkampf mit Erschießen.
Sein wichtigstes Bündnis in der Stichwahl war für die Elite die einzige Option gegen die PT zu sein. Seine Inhalte sind der Wählerschaft zudem weitgehend unbekannt, da er sich seit einer Messerattacke durch einen offenbar geistig verwirrten Mann im September weigerte, an öffentlichen Debatten teilzunehmen. Stattdessen Wahlkampf à la Trump: Unmengen Fakenews, diesmal vor allem per WhatsApp. Trumps Ex-Berater Steve Bannon war im Team von Bolsonaro mit von der Partie. Und Beistand von evangelikalen Pastoren, die ihren Gemeinden das Votum für Bolsonaro zu einer Gottespflicht machten. Für diese Allianz ließ sich der Katholik vor zwei Jahren in Israel taufen.
Die oft geäußerte Hoffnung, die stabilen Institutionen in Brasilien würden Bolsonaro schon im Zaum halten, sind nach seinem fulminanten Wahlsieg mit über 55 Prozent der Stimmen eher Wunschdenken. Das politische System basiert auf Klientelismus und Interessenskungelei, so dass rechtsstaatliche Prinzipien und moralische Skrupel weit hinten auf der Prioritätenliste vieler Parlamentarier stehen. Der Oberste Gerichtshof hat bei all den fragwürdigen Entwicklungen seit Rousseffs Wiederwahl 2014 kaum Position bezogen. Trotzdem spielte Bolsonaro bereits mit dem Gedanken, die Richterzahl auf 22 zu verdoppeln. Demokratie und Rechtsstaat adé.

Einige Fakten zu den Wahlen von  2018

28.10.2018: Stichwahl um das Präsidentenamt
Ergebnis:  Der  Rechtspopulist Jair Bolsonaro (PSL) wird mit 55,14 %, dies entspricht 57,8 Millionen Stimmen gewählt. Sein Gegenkandidat Fernando Haddad von der Arbeiterpartei (PT), kam auf 44,86 %, dies entspricht 47 Millionen Stimmen.
Neben den Präsidentschaftswahlen fanden in diesem Jahr auch die Wahlen für die Abgeordnetenkammer (Câmara dos Deputados) und für zwei Drittel des Bundessenats (Senado) statt.
Die Abgeordnetenkammer besteht künftig aus 513 Mitgliedern, die aus 30 Parteien stammen.  Sie wurden für vier Jahre im Verhältniswahlrecht gewählt. Ihre neue Zusammensetzung ist die konservativste der letzten 30 Jahre.
Den stärksten Zugewinn verzeichnete die rechtsextreme Partei PSL des künftigen Präsidenten Jair Messias Bolsonaro:  Ihr Anteil stieg von einem Abgeordneten (2014) auf 52 Abgeordnete. Damit ist die PSL nach der Arbeiterpartei  - sie  bekommt  56 Sitze -  die zweitstärkste Kraft.
Der Frauenanteil stieg von 51 auf 77 Sitze. Das entspricht 15% der Parlamentarier. Frauen stellen  jedoch die Mehrheit der Bevölkerung. Erstmals wurde mit Joénia Wapichana eine Frau mit indigenen Wurzeln gewählt. Luiza Erundina von der PSOL ist mit 84 Jahren die älteste Abgeordnete. Luiza Canziani ist mit 22 Jahren die jüngste Abgeordnete. Sie kandidierte für die PTB.
Der Senat setzt sich aus 81 Mitgliedern (Wahl alles acht Jahre) zusammen. Jeder Bundesstaat entsendet drei Senatoren, die im Mehrheitswahlrecht gewählt werden. In diesem Jahr standen zwei Drittel der Senatorensitze zur Wahl. Zukünftig sind in diesem Gremium 21 Parteien vertreten.

Andreas Behn lebt und arbeitet als Journalist in Rio de Janeiro.

Ausgabe 158/2018