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Prainha do Canto Verde

29.8.2010: Vollversammlung der Einwohnervereinigung (Associação dos Moradores) von Prainha do Canto Verde. Mehr als 300 Frauen, Männer und Kinder treffen sich, um einen wichtigen Beschluss zu fassen:

Das Ende 2009 als RESEX (Reserva Extrativista – Schutzgebiet) bestimmte Gebiet soll einen entscheidungsfähigen Rat erhalten. Vertreter der Landesregierung sind ebenso angereist wie Vertreter der Umweltbehörde IBAMA und weiterer Institutionen.
Nach einer musikalischen Einstimmung durch Roberto „Que bom que vocês vieram, que bom que vocês estão aqui“ („Wie gut, dass ihr gekommen seid, wie gut, dass ihr da seid“) - ergreift Alessandro vom Chico-Mendes-Institut aus Fortaleza das Wort und spricht leider in einer abgehobenen Sprache, die den Fischerfamilien fremd ist. Doch deren Geduld ist erst bei der folgenden Rednerin Gris, ebenfalls aus Fortaleza, zu Ende. Energische Zwischenrufe verhindern, dass sie reden kann. „Wir wollen jetzt endlich selbst zu Wort kommen, es geht schließlich um uns.“ Und nun entwickelt sich ein lebhafter Abend.
Obwohl bereits beschlossen, versuchen einige, den Status als RESEX wieder in Frage zu stellen. Wie sich herausstellt, hat ein Senhor Talles, Bauunternehmer und Besitzer einer Privatschulkette in Fortaleza, der in Prainha ein Ferienhaus besitzt, eine neue Associação namens „Independente“ ins Leben gerufen. Durch Verteilen von Lebensmitteln und die Finanzierung eines Krankenwagens ist es ihm gelungen, die Einwohnerschaft zu entzweien. Dass er weitergehende Interessen hat - so beansprucht er einen Großteil des als Naturschutzgebiet ausgewiesenen Territoriums - , um eventuell ein Ressort zu errichten, bleibt den Familien verborgen.
Für diesen Abend hat er zwei Rechtsanwälte abgeordnet: Sie sollen den ordnungsgemäßen Ablauf der Veranstaltung verfolgen. Schon ihr äußeres Erscheinungsbild steht im schrillen Gegensatz zu dem der anwesenden Familien.
Schließlich gelingt es doch, einen Ausschuss, der alle im Fischerdorf relevanten Gruppen berücksichtigt, ins Leben zu rufen. Diese haben zunächst die Aufgabe, ihre Vertreter zu wählen, danach werden sie sodann für die Belange und die Entwicklung von Prainha Verde zuständig sein. Ob dieser Rat eine positive Entwicklung einleiten kann, hängt maßgeblich davon ab, ob die Einwohner wieder zur Geschlossenheit zurückfinden und das Projekt eines Turismo Comunitário gemeinsam tragen.
Die Idee, mit einem sanften Tourismus eine zusätzliche Einkommensquelle für Fischerfamilien zu erschließen, führte 2008 zur Gründung des Netzwerkes TUCUM. Zwölf Dorfgemeinschaften gehören diesem im Aufbau befindlichen Netzwerk an. Wer sich einen näheren Einblick verschaffen und eventuell auch einen Urlaub dort verbringen möchte, google auf den folgenden Seiten: www.tucum.org
Voraussetzung sind nach unserer Erfahrung allerdings eine Offenheit und Bereitschaft, sich auf die Situation einzulassen. Die Zimmer der zum „Turismo comunitário“ gehörenden Unterkünfte sind bescheiden, sie haben jedoch Dusche und Toilette und nicht selten ein köstliches Frühstück wie beispielsweise bei Dona Mirtes in Prainha do Canto Verde. Wer jedoch warmes Wasser erwartet, reise lieber nicht an. Allerdings lässt er sich dann unvergessliche Erfahrungen entgehen.

Günther Schulz