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Brandherd Cerrado

Dieter Gawora

Der Cerrado gehört zu den am meisten bedrohten Ökosystemen der Erde. Gegenüber den anderen gefährdeten Ökosystemen geschieht dessen Vernichtung aber nahezu unbemerkt von der Weltöffentlichkeit. Dies ist zumindest überraschend, wenn die geographischen und ökologischen Fakten des zweitgrößten Ökosystems Südamerikas aufgelistet werden: Mit 2 Millionen km² umfasst das Gebiet fast ein Viertel der Fläche Brasiliens und zeichnet sich durch eine außerordentliche Artenvielfalt aus.

Allein 10.000 Pflanzenarten, 6.000 Baumarten, 837 Vogelarten, 67 Säugetierarten und 120 Reptilienarten sind hier zu Hause. Das entspricht etwa 5% der Biodiversität der Erde bzw. etwa 30% der Biodiversität Brasiliens.
Der Cerrado - nicht aber Amazonien – wird zu den sogenannten 34 „Hotspots“ der Artenvielfalt gezählt. Hotspots sind nach der Definition des renommierten britischen Umweltschützers Norman Myers jene Gebiete, in denen mindestens 1.500 Arten von Gefäßpflanzen endemisch vorkommen und in denen mindestens 70% der Vegetation bereits zerstört sind. Amazonien ist kein ‚Hotspot‘, weil „erst“ ca. 21 - 22% vernichtet wurden.
Die Einschätzung von Umweltschützern, dass 70% der Vegetation des Cerrados bereits nicht mehr existieren, liegt über den offiziellen Angaben des brasilianischen Umweltministeriums. Dieses gibt die Gesamtfläche des Cerrados mit 2.039.386 km² an von denen 989.817 km² bis zum Jahr 2010 zerstört waren, dies entspricht 48,53 %. Nach Angaben der Universität von Goiás stieg die Abholzung des Cerrados bis 2012 weiter an und übertraf jene Amazoniens.
Aus ökologischer Sicht Grund genug, sich verwundert die Augen zu reiben über das offenbare Desinteresse der Welt am Cerrado. „Warum schaut die Welt nur nach Amazonien und vergisst den Cerrado?“ Dies fragte mich der Bauer Cristovino Ferreira Neto beim Besuch der Geraizeiro-Gemeinschaft Americana im Munizip Grão Mogol im Norden von Minas Gerais. Hier darf der Autor keinesfalls missverstanden werden: Die Abholzungszahlen in Amazonien sind nach wie vor viel zu hoch und müssen reduziert werden. Aber der Cerrado braucht sehr viel mehr internationale Aufmerksamkeit.
Warum wird der Cerrado übersehen?
Gegenüber dem üppigen Amazonaswald erscheinen die vielfältigen Savannenformen des Cerrados auf den ersten Blick vergleichsweise spröde. Die Bäume wachsen nicht sechzig oder gar siebzig Meter hoch, sondern begnügen sich meistens mit 8 bis 12 Metern, in Ausnahmen bis 15 Meter, wobei sie oft in sich verwachsen sind. Er präsentiert sich ohne geschlossenes Kronendach als uneinheitliche Baum-, Strauch- und Grassavanne oder als laubwerfender Trockenwald. Es handelt sich also um Vegetationsformen, die weniger üppig sind und viele Unterökosysteme aufweisen. In Brasilien ist es daher üblich, von den Cerrados zu reden. Zudem kann die Abholzung Amazoniens eindrucksvoll mit Satellitenbildern für den Laien verständlich und eindrücklich gezeigt werden. Im Cerrado sind bei Satellitenaufnahmen Abholzungsflächen bzw. die veränderte Nutzungsform meist nur für Fachleute zu erkennen. Und noch etwas erschwert die Wahrnehmung: Die Cerradowälder werden in der Literatur oft als „auf dem Kopf stehender Wald“ beschrieben, da der größte Teil der Biomasse im Wurzelwerk bzw. unter der Erdoberfläche gespeichert ist, d.h. vollkommen unsichtbar ist.
Die Regierungen
Die brasilianischen Regierungen während und nach der Militärdiktatur standen international unter zunehmendem Druck, gegen die  Entwaldung Amazoniens zu agieren. Bis vor wenigen Jahren blieb dieser Druck nahezu erfolglos, erst seit 2009 werden Abholzungszahlen unter 10.000km² jährlich dokumentiert. Diese Reduzierung, auf nach wie vor sehr hohem Niveau, ist allerdings durch das neue Waldgesetz und auch durch das gerade neu gewählte Parlament, in dem die fraktionsübergreifende „Banca Ruralista“, also die Interessengruppe von Großgrundbesitzern und Agrarindustrie, nahezu die Hälfte der Abgeordneten im Parlament stellen wird, stark gefährdet.
Der Cerrado fand demgegenüber international kaum Beachtung und war noch weniger Gegenstand von Verhandlungen. Die brasilianischen Regierungen begreifen ihn bis heute als nicht verhandelbare „natürliche“ Ausbeutungsregion Brasiliens für Agrar-, Forst und Viehwirtschaft, Bergbau und Energie. Eine Umkehr dieses Erschließungskonzepts ist nicht in Sicht.
Das Erschließungskonzept
Die Erschließung des Cerrados im Kontext des brasilianischen Entwicklungsmodells begann in den 1950er Jahren. Erstes Großprojekt war die Verlegung der Hauptstadt im Jahr 1960 von Rio de Janeiro in das zuvor in wenigen Jahren in die Cerradosavanne gestampfte neu gegründete Brasília, das heute 2,8 Millionen Einwohner zählt. Von hier aus wurde die wirtschaftliche Ausbeutung des Cerrados gesteuert.
Der Cerrado wurde Brasiliens wichtigstes Expansionsgebiet für die Rinderweidewirtschaft und später für den Sojaanbau und die Eukalyptusmonokulturen.
Die traditionellen Völker
und Gemeinschaften des Cerrados
Dieses Entwicklungsmodell nimmt in Kauf, dass die traditionell im Cerrado lebenden Menschen mit offener, subtiler oder unsichtbarer Gewalt verdrängt werden.
Die ersten Betroffenen waren wie in der gesamten Geschichte Brasiliens bzw. Amerikas die indigenen Völker, von denen viele in den letzten 500 Jahren verschwunden sind. In Brasilien haben von den vermuteten ca. 1.000 Völkern im Jahr 1500 nur etwa 240 diesen Prozess überstanden. Die überlebenden Völker erreichten den demographischen Tiefpunkt in den 1960er Jahren, als es nur noch 200.000 Indigene gab. Seitdem gibt es durch die Ausweisung von Indigenengebieten eine demographische Trendwende.
Im Cerrado sind einige der Völker in der „Bewegung der indigenen Völker des Cerrados“ (MOPIC) zusammengeschlossen. Unter ihnen die Xavante, Krahô, Krikati, Apinajé, Kanela, Gavião Pykobjê, Karajá, Xerente, Terena, Xakriabá, Bakairi, Kaxixo, Irantxe und Guarani Kaiowa. Durch diese und andere Organisationen sowie durch eine sehr hohe internationale Aufmerksamkeit konnte die Ausweisung von indigenen Territorien und somit die demographische Umkehr erreicht werden. Die Zahl der Indigenen nimmt wieder zu! Allerdings trifft dies nicht auf alle Völker zu. Viele sind nach wie vor bedroht. Im Cerrado ist aktuell die Lage der Guarani-Kaiowá besonders erschreckend. Ihre Gebiete in Mato Grosso do Sul sind von Großgrundbesitzern eingeschlossen, die derzeit mit offener Gewalt gegen sie agieren. Zuletzt wurde am 4. November nach Angaben von Survival International die Guarani-Indianerin Marinalva Manoel ermordet. Sie hatte sich für das angestammte Land ihrer indigenen Gemeinde stark gemacht.
Die traditionellen Gemeinschaften
Unbemerkter, aber keineswegs weniger sind die traditionellen Gemeinschaften von diesem Entwicklungsmodell betroffen. Die von ihnen bewirtschafteten Gebiete sowie die Zahl der betroffenen Menschen sind größer als die der Indigenen.
Traditionelle Gemeinschaften sind in Brasilien jene Gruppen, die sich im Laufe der Geschichte in besonderen Gebieten angesiedelt haben und diese seit Generationen bewirtschaften. Das Präsidialdekret 6040 aus dem Jahr 2007 definiert sie folgendermaßen:
I „Traditionelle Völker und Gemeinschaften sind: Gruppen, die sich kulturell unterscheiden und als solche verstehen, mit eigenen sozialen Organisationsformen, die Territorien besetzen und natürliche Ressourcen für ihre kulturelle, soziale, religiöse, anzestrale und ökonomische Reproduktion, sowie erschaffenes und durch Traditionen weitergegebenes Wissen, Innovationen und Praktiken nutzen.“ (Art 3, 1)
II „Traditionelle Territorien sind: notwendige Räume für die kulturelle, soziale und ökonomische Reproduktion der traditionellen Völker und Gemeinschaften, die permanent oder temporär genutzt werden, (…)“ (Art 3,2) (Dekret 6040)
Die Historien der Gemeinschaften sind sehr unterschiedlich. Im Cerrado finden sich unter anderem Nachkommen der Quilombolas, das heißt von geflohenen Sklaven, die sich in für das portugiesische und später das brasilianische Militär schwer zugängliche Gebiete zurückgezogen hatten; Vazanteiros, die sich sukzessive entlang des Rio São Francisco am Flussufer (der Vazante) ansiedelten; Geraizeiros im Hochland des nördlichen Minas Gerais, die während der großen Bevölkerungsverschiebung im 18. Jahrhundert aus den Zuckerrohranbaugebieten im Nordosten zu den Goldrauschgebieten in Minas Gerais in diesen Gebirgszügen ihren Platz fanden und andere mehr.
Jede der Gemeinschaften hat ihre spezifische Geschichte, die bis heute erinnert wird. Traditionelle Gemeinschaften können sehr genau die Ausdehnung ihres bewirtschafteten Territoriums benennen, dessen unsichtbare Grenzen zu den Nachbargemeinschaften stets respektiert werden. Gemeinsam ist allen, dass sie zu ihren jeweiligen Territorien, die sehr unterschiedliche natürliche und ökologische Bedingungen aufweisen, spezifische Beziehungen entwickelten, die auf dem Wissen der Naturkreisläufe basieren sowie vielfältige Formen gemeinschaftlichen Wirtschaftens. Dieses tradierte Wissen, das ständig erweitert wird, ist die Basis für die diversifizierte und nachhaltige Nutzung der unterschiedlichen Naturräume des Cerrados.
Obwohl die Territorien der Gemeinschaften allgemein anerkannt waren, wurden diese nahezu nirgends in einem offiziellen Kataster aufgenommen, und individuelle Landtitel waren bis in die 1950er und 1960er Jahre eher selten.
Das Leben in den Gemeinschaften war geregelt, obwohl es keine Idylle war. Die Abhängigkeit von den Naturkräften war hart, insbesondere wenn Regenfälle ausblieben. Gewalt durch herumziehende Banden und Ausbeutung durch selbsternannte „Coroneis“ waren keine Seltenheit. Diese traditionellen harten Lebensbedingungen der Menschen im Cerrado sind literarisch in dem großen Roman „Grande Sertão“ von João Guimarães Rosa umfassend beschrieben, der in der gelungenen Übersetzung von Curt Meyer-Clason auch in Deutsch erhältlich ist.
Die traditionellen Lebensformen änderten sich seit den 1950er und 1960er Jahren dramatisch, was sich in den Abholzungszahlen spiegelt, die ja nichts anderes bedeuten als den Entzug der Lebensgrundlage der traditionellen Gemeinschaften. Viele Gemeinschaften sind in den letzten Jahrzehnten verdrängt worden, ohne dass die Öffentlichkeit davon Kenntnis nahm. Für alle anderen traditionellen Gemeinschaften des Cerrados gilt heute: Sie sind akut oder zumindest potentiell in ihren Lebens- und Wirtschaftsformen bedroht.
Jede der verschiedenen Gruppen der traditionellen Gemeinschaften hat es verdient, einzeln beschrieben zu werden. Hier sollen stellvertretend nur die weitgehend unbekannten traditionellen Gemeinschaften der Apanhadores de Flores vorgestellt werden, die unter der neuesten Form der Verdrängung leiden: der Ausweisung von Naturschutzgebieten.
Die Apanhadores de Flores
Die Apanhadores de Flores, was wörtlich übersetzt ‚Blumenpflücker’ heißt, leben in der Serra de Espinhosa in der Nähe der alten Kolonialstadt Diamantina, die im 18. Jahrhundert auf Grund von Diamantenvorkommen im Zentrum des Bundesstaates Minas Gerais gegründet wurde. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts dominierte die Edelsteinsuche die Wirtschaft der Stadt und der Region.
Die Entstehung der Gemeinschaften der Apanhadores de Flores ist indirektes Resultat der Edelsteinsuche. Zum Teil sind die Gemeinschaften wohl aus ehemaligen Quilombos entstanden und zum Teil durch sukzessive Zuwanderung. Ökonomische Basis der Gemeinschaften ist Land-, Garten- und Sammelwirtschaft sowie Viehzucht und Jagd. Der Sammelwirtschaft kommt besondere Bedeutung zu, da die verschiedenen Arten der Trockenblume „Sempre Viva“ etwa seit Beginn des 20. Jahrhunderts in der Serra gesammelt und national und international vermarktet wurden. Diese Tätigkeit ist ursächlich für ihre Selbstbezeichnung. Die Apanhadores bewirtschafteten die hochgelegenen Wiesen der Serra durch kontrollierte Feuerbewirtschaftung. Das heißt, sie werden in periodischen Abständen kleinflächig und kontrolliert abgebrannt, in der Regel nach den ersten Regenfällen, damit die Flammen klein bleiben und sich keine übermäßige Hitze entwickeln kann. So wird nur die Oberfläche abgeflammt, nicht aber die Wurzeln der Sempre Viva zerstört. Diese Bewirtschaftungsform ließ in der Serra de Espinhosa ein bedeutendes Vorkommen der Sempre Viva-Arten entstehen. Die Sempre Viva-Arten sind selten und gelten als vom Aussterben bedroht, auch dies ist eine Auswirkung der Cerradovernichtung.
Insbesondere das opulente Vorkommen der Sempre Viva veranlasste die Umweltbehörde IBAMA einen großen Teil der Serra de Espinhosa als Nationalpark ohne Bewirtschaftung mit einer Fläche von 124.000 Hektar, deren größter Teil nur mit Hubschrauberüberflügen erkundet worden war, auszuweisen. Als eine seiner letzten Amtshandlungen unterzeichnete Fernando Henrique Cardoso im Jahr 2002 das Gesetz zur Ausweisung des Nationalparks „Sempre Viva“. Diese Ausweisung erfolgte ohne ausreichende Felduntersuchungen, ohne Konsultationen der dort wirtschaftenden Gruppen, eben den Apanhadores de Flores und ohne öffentliche Anhörung. Das Dekret wurde lediglich im Staatsanzeiger veröffentlicht und den Betroffenen eine Frist von 15 Tagen gewährt, via Internet Einspruch dagegen zu erheben. Eine geradezu absurde Groteske von Bürgerbeteiligung, da kaum jemand den Staatsanzeiger liest, weder Computer noch Internet in den Gemeinschaften vorhanden sind und einige keine Stromversorgung haben. Die meisten Gemeinschaften wussten deshalb nichts von der Gründung des Nationalparks und dessen Grenzen. Die ausgewiesene Fläche überlagert sich mit den wichtigsten Sammelwiesen von etwa 50 Gemeinschaften der Apanhadores in der Serra de Espinhosa.
Nach der Ausweisung änderte sich zunächst vergleichsweise wenig für die Gemeinschaften. Dies änderte sich im Jahr 2007 mit institutionellen Veränderungen in der Umweltverwaltung und der Einrichtung der Behörde ICMBio, die von nun an für die Nationalparks zuständig war. Die neuen Umweltbeamten setzen den Gesetzestext konsequent um. Das heißt, sie begannen die Apanhadores rücksichtslos von ihren angestammten Sammelwiesen zu vertreiben und verboten unter Strafandrohung strengstens das kontrollierte Abbrennen der Wiesen. Die plötzlich über sie hereinbrechende (Umweltschutz-)Gewalt verhinderte nicht nur eine zentrale wirtschaftliche Tätigkeit, sondern erschütterte auch die sozialen Strukturen der Gemeinschaften, da das Sammeln der Sempre Viva in der Serra, wo die Sammler oft viele Wochen während der Sammelzeit in einfachen Behausungen oder unter Felsüberhängen verbrachten, konstituierend für die Identität dieser Gemeinschaften ist. Diese Wochen des Sammelns waren nicht nur ökonomisch wichtig, sondern auch die Zeit gemeinsamer Feste und des Austauschs mit den anderen weit verbreiteten Gemeinschaften.
Fernanda Testa Monteiro hat viele Apanhadores de Flores für ihre Masterarbeit interviewt. In den Befragungen kommt die Erschütterung der Betroffenen zum Ausdruck.
„Ich bin 60 Jahre alt. Nie hatte ich Probleme mit dem Gesetz, und jetzt bringt mich der Verwalter des Parks vor Gericht und ich werde bestraft, weil ich die Wiese abbrannte wie ich es mein ganzes Leben schon tat.“
 „Um manche Wege zu passieren verlangen sie Ausweise. Dies gab es niemals.“
„Sie versammelten die Menschen in der Schule und erklärten, dass ab jetzt die Serra nur noch zum Schutz da ist und von niemandem mehr genutzt werden darf. Wer es dennoch täte, würde als Umweltkrimineller verhaftet.“
Die Kontrolle des Nationalparks wurde rigoros durchgeführt. Der Nationalpark kann heute entsprechend den Umweltgesetzen nur noch für „wissenschaftliche Forschung, touristische Besuche, Erholung und Bildung“ genutzt werden. Traditionelle Nutzung ist nicht nur nicht erwünscht, sondern wird gewaltsam verhindert.
Den Apanhadores de Flores, die über Generationen durch Pflege und Nutzung die weite Verbreitung der Sempre Viva überhaupt erst ermöglichten, ist heute der Zugang verboten. Die fehlende Pflege der Wiesen durch kontrolliertes Abbrennen lässt das Gras nun ungehindert wuchern und in den Hitzemonaten zu leicht entflammbaren Trockengras werden. So konnte sich im Jahr 2011 ein unkontrolliertes Großfeuer ausbreiten, das weit über 1.000 Hektar Wiesen verbrannte inklusive der Wurzeln der Sempre Viva.
„Ich kann nur weinen, wenn ich diese Zerstörung bis heute da oben sehe.“ (Bewohnerin der Gemeinschaft Macaco im Jahr 2013). Paradoxerweise verhindert somit die Umweltbehörde genau den Schutz für jene Pflanzen, für die der Nationalpark insbesondere ausgewiesen wurde.
Zerrieben zwischen Agrarindustrie, Bergbau und Umweltschutz
Der Fall der Apanhadores de Flores ist kein Einzelfall. Für viele traditionelle Gemeinschaften ist die Überlagerung ihrer Territorien mit Naturschutzgebieten zum zentralen Problem geworden. Ihre Territorien sind oftmals die einzig nachhaltig bewirtschafteten Flächen zwischen großen zerstörten Landstrichen der Soja-, Eukalyptus- oder Rinderweidewirtschaft, die noch die natürliche Vegetation des Cerrado aufweisen. So absurd es klingen mag, die Realität ist, dass genau diese nachhaltige Bewirtschaftung ihnen heute zum Verhängnis wird.
Die traditionellen Völker und Gemeinschaften des Cerrados sind bedroht. Sie werden heute nicht nur zwischen den Interessen der Agrarindustrie, des Bergbaus und der Energiewirtschaft zerrieben, sondern nun auch noch von denen des Umweltschutzes. Ihre Bedrohung ist gleichzeitig die des Cerrado. Ohne traditionelle Völker und Gemeinschaften wird der Cerrado nicht zu erhalten sein.

Ausgabe 150/2014