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In Holzkohle verwandelt

Seit Beginn des 20.Jahrhunderts wird in Brasilien kommerziell Eukalyptus angebaut. Heute verfügt das Land über die weltweit größten Eukalyptusanbauflächen. Eine wichtige Region dafür ist das nördliche Minas Gerais.

Im Jahr 2000 wurden in ganz Brasilien auf 4.805.930 Hektar (etwa die Fläche Niedersachsens) Eukalyptus und Pinien angepflanzt, davon ca. ein Drittel in Minas Gerais (1.535.290 Hektar). Für 2004 schätzte man schon eine Anbaufläche von 5,4 Millionen Hektar. Seit 1965 gibt es Eukalyptusmonokulturen im nördlichen Minas Gerais. Gefördert durch die Entwicklungsbehörde SUDENE und stimuliert durch Steuererleichterungen, wurde Allmendeland (Land, das kollektiv genutzt wird, aber dem Staat gehört) an Unternehmen der Eisen- und Stahlindustrie sowie Holz- und Forstkonzerne verpachtet. Zwischen 2000 und 2004 wurden in Minas Gerais 418.390 Hektar neu mit Eukalyptus bepflanzt. Geschätzt werden für ganz Brasilien zukünftig Neupflanzungen von 810.000 Hektar pro Jahr. Für 2020 bedeutet dies eine Fläche von 13,8 Millionen Hektar.

Eukalyptus und Arbeitsplätze

Die forstwirtschaftlichen Unternehmen versprachen den Menschen im nördlichen Minas Gerais Wohlstand und Arbeitsplätze. Statt jedoch eine Einbindung der Bevölkerung in Lohnarbeitsverhältnisse zu fördern, begannen die Unternehmen mit der Zerstörung der Lebensgrundlage der Einwohner und der Enteignung ihres Grundbesitzes. Man kann die Beschäftigungszahlen anhand der Arbeitskarte, über die jeder legal Beschäftigte verfügt, genau bestimmen. Danach hatten und haben weder in Minas Gerais noch in ganz Brasilien Eukalyptusanpflanzungen einen nennenswerten Einfluss auf die Beschäftigung im formellen Sektor. Laut Arbeitsministerium wurden 0,1% der formellen Beschäftigungsverhältnisse im Bereich der Forstwirtschaft geschaffen. In Minas Gerais, dem größten Anbaugebiet für Eukalyptus, waren es 2005 nur 0,3% der neu geschaffenen Arbeitsplätze. Im Munizip Rio Pardo de Minas, dessen Fläche zu 30% von Eukalyptusmonokulturen bedeckt ist, waren es 4,5% oder in absoluten Zahlen 92 von 2064 Arbeitsverhältnissen. Zudem gibt es Berichte über sklavereiähnliche Arbeitsverhältnisse beim Eukalyptusanbau. Dies bedeutet schlechteste Arbeitsbedingungen für physisch anstrengende Arbeit ohne soziale Absicherung.{mospagebreak}

Umweltkonflikte

Weltweit sind die klimatischen Veränderungen spürbar. In Brasilien wird Klimaschutz mit isolierten Maßnahmen, vorwiegend im Amazonasgebiet, betrieben, ohne die Abhängigkeiten der großen Ökosysteme voneinander zu berücksichtigen, wie zum Beispiel die wichtige Funktion des Cerrados für die Flüsse in Amazonien. Der Cerrado wird noch immer als Expansionsraum für das Agrobusiness betrachtet, die Bedeutung des Ökosystems für das nationale und internationale Gleichgewicht bleibt dabei unberücksichtigt. Ein Beispiel dafür sind die Eukalyptusmonokulturen, die besonders in Minas Gerais Wasserkreisläufe beeinträchtigen, Wasserläufe versanden lassen, die Landschaft verändern und zur Landkonzentration beitragen.
Der Cerrado bedeckt ein Viertel des brasilianischen Hoheitsgebiets (22,65%) in 13 Bundesländern und hat Übergangszonen zu fast allen anderen Ökosystemen des Landes. In diesem Naturgroßraum leben ca. 22 Millionen Menschen. Wenn alle Cerradoflächen außerhalb des zusammenhängenden Savannengebiets in Zentralbrasilien einbezogen würden, entspräche der Cerrado sogar 37% des brasilianischen Staatsgebiets mit 37 Millionen Menschen, wobei 84% im urbanen und 16% im ländlichen Raum leben. In ihm gibt es die ältesten Böden des Landes. Außerdem ist er das Quellgebiet vieler brasilianischer Gewässer. Der Cerrado liegt höher als die meisten anderen Ökosysteme. Aus ihm werden die wichtigsten Wassereinzugsgebiete Brasiliens gespeist, u.a. die Becken des Rio São Francisco und des Rio Tocantins. Neben seiner hydrologischen Bedeutung hat der Cerrado nach dem Amazonasregenwald die bedeutendste Flora Brasiliens. Zudem besticht er durch seine Biodiversität, die zu seiner Weitläufigkeit, seiner geographischen Lage, zu seiner biologischen Heterogenität sowie zur Tatsache passt, dass er drei der größten südamerikanischen Flusseinzugsgebiete berührt. Die Flora des Cerrados gilt als die reichhaltigste „Savannen“-Vegetation der Erde. Brasilien besitzt eine der größten Artenvielfalten der Welt. Die Grafik vergleicht die Artenvielfalt des Cerrados mit Brasilien.
Die Artenvielfalt des Cerrados ist noch nicht vollständig bekannt. Einige nennen mehr als 2.000 Arten von Bäumen und Sträuchern und eine noch größere Anzahl an Gräsern. Andere schätzen die Flora des Cerrado auf mehr als 10.000 Arten, von denen 4.400 in dieser Region endemisch (kommen nur in dieser Region vor, A.d.Ü) sind. Viele dieser Arten sind ein wichtiger Bestandteil des täglichen Lebens in der Region und werden als Nahrungsmittel, Medizin, im Haushalt, zur Energiegewinnung und im Kunsthandwerk verwendet und steuern so einen Teil zum Einkommen von tausenden Familien bei. Die Expansion der Monokulturen von Eukalyptus- und Landwirtschaftsprodukten, die Viehzucht sowie der erhebliche Staudammbau stellen die größten Gefahren für den Cerrado dar. Sie zerstückeln ihn und bedrohen dadurch die Artenvielfalt.
Die Entwaldung Amazoniens zieht beträchtliche Aufmerksamkeit auf sich, während die Entwaldung des Cerrados - aktuell ca. 12.000 km² pro Jahr - von der Weltgemeinschaft unbeachtet bleibt. Deshalb blieb vom Cerrado auch nur ein Streifen übrig, der sich vom Süden Maranhãos über den Westen Bahias, den Osten Tocantins‘, den Nordosten Goiás‘ bis in den Nordwesten von Minas Gerais erstreckt. Diese Gebiete sind aktuell die Grenzregionen des vordringenden Agrobusiness.
Die stärksten Umweltauswirkungen, die von den Eukalyptusmonokulturen ausgehen, betreffen die Wasserressourcen für die Entwässerung und den Wasserkreislauf, die Bodenerosion und Bodenfruchtbarkeit, die Biodiversität sowie den Zugang der Bewohner zu den natürlichen Hilfsquellen. Kritiker der Eukalyptuskonzerne führen diese Schäden auf die Art des Anbaus in der Vergangenheit zurück, als keinerlei angepasste Landnutzungskriterien angewandt wurden und Brandrodung, Pflanzungen an Wasserläufen, Steilhängen und in Quellgebieten, quadratische Anordnung der Pflanzungen mit dazugehörigem Straßensystemen, unzureichende Vorbereitung der Böden und Nichtbeachtung der Topographie üblich waren. Um der inadäquaten Bewirtschaftung der Vergangenheit entgegenzuwirken, schlagen die Unternehmen das so genannte “neue Modell von Pflanzungen” vor:

  • neue Pflanzungen ausschließlich in bereits erschlossenen Gebieten,
  • Nutzung von Schösslingen, die an die regionalen Bedingungen angepasst sind,
  • Anlage der Pflanzungen in “Mosaikform”,
  • umweltverträgliche Entsorgung der Forstabfälle sowie
  • Anwendung von Techniken zum Schutz der Waldflora, wie z.B. Korridore natürlicher Vegetation zwischen den Pflanzungen, die zur Selbstregulierung der Waldgebiete führen.{mospagebreak}

Wir beobachten jedoch, dass die Plantagenbetreiber Probleme haben, die Schäden zu beheben. Zudem werden Naturschutzgesetze nicht beachtet, sodass im naturbelassenen Cerrado und sogar in Naturschutzgebieten gepflanzt wird und die ökologischen Korridore mangelhaft eingerichtet sind. Verschärft wird die Situation durch die Vergabe der Arbeiten an Subunternehmen. Die Konzerne scheinen dadurch nicht direkt verantwortlich zu sein, obwohl sie die sozial- und umweltgefährdende Produktion aufkaufen.
Dies führte zu Konflikten mit betroffenen Gemeinschaften. Die Umweltbehörde COPAM (Conselho de Política Ambiental) hat darauf mit einem neuen Regelwerk zur Lizenzvergabe reagiert, das aber eher der Legitimierung der Monokulturen dient als der Sorge um deren sozioökologischen Auswirkungen. Vor kurzem wurden z.B. die Lizenzen für 26 Gebiete von Vallourec-Mannesmann mit einer Gesamtgröße von 106.000 Hektar verlängert, auf denen ausschließlich Eukalyptus angepflanzt wird. Diese Lizenzvergabe erfolgte entgegen der Empfehlung der Generalstaatsanwaltschaft. Diese hatte bemängelt, dass die Lizenzen ohne angemessene Anhörung der Gemeinschaften an einem einzigen Tag am Sitz der COPAM vergeben wurden. Das schloss die Teilnahme der betroffenen Gemeinschaften aus dem nördlichen Minas Gerais nahezu aus. Dabei wurde auch die Lizenz für die Pflanzung Nova Esperança bei Montes Claros verlängert, wo es Konflikte wegen der Wasserressourcen gibt, obwohl diese Pflanzung noch gar nicht lizenziert war. Das heißt, es wurde eine Lizenz verlängert, die noch gar nicht existierte. Das Unternehmen Vallourec-Mannesmann war zudem schon vorher dadurch aufgefallen, dass es die Auflagen für die Schutzgebiete nicht einhielt.

Eukalyptusmonokulturen im 21. Jahrhundert

In Minas Gerais gibt es wenigstens zwei Gründe für einen neuen Zyklus der Holzkohleproduktion aus Eukalyptus. Zum einen ist es die gestiegene Nachfrage nach Stahl, die mit dem Wirtschaftswachstum in Asien zusammenhängt. Der zweite - raffiniertere - Grund ist die Aufwertung der Holzkohle, und zwar in Bezug auf die Diskussion über eine ökologische Verantwortung der Konzerne. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen: “ Ferro Gusa Verde” (Grünes Eisen) der Plantar-Gruppe,sowie “Tubo Verde” (Grüne Röhre) von V&M do Brasil. Sie wollen die Steinkohle durch die Holzkohle aus Eukalyptus unter dem Deckmantel erneuerbarer Energien ersetzen.
Hier wird versucht, die Holzkohleproduktion, bei der als Konsens galt, dass sie lokal und global umweltschädlich ist, umweltgerecht anzubieten und zu vermarkten. Mit anderen Worten, hier liegt der Versuch vor, einen der sowohl ökologisch als auch sozial schmutzigsten Produktionsprozesse ökologisch reinzuwaschen. In der aktuellen Debatte über den Klimawandel wird diese Form der Entlastung von Regierungen und internationalen Foren sehr positiv aufgenommen. Das entspringt dem festen Glauben, dass allein die Pflanzung von Bäumen und die Produktion von Holzkohle zur Abkühlung des globalen Klimas beitragen könnte.
Romulo Soares Barbosa ist Soziologe, Álvaro Alves Carrara ist Agrarwissenschaftler. Beide arbeiten an der Universität
Montes Claros, Minas Gerais

Romulo Soares Barbosa, Álvaro Alves Carrara
Übersetzung/Überarbeitung: Fabiana Hoffmann, Sebastian Stephan Hoffmann, Dieter Gawora