Von der Notwendigkeit fairen Handelns
Heute macht uns die globale Welt schnell deutlich, inwieweit unsere eigenen täglichen Kaufentscheidungen das Leben tausender Menschen, die für den Markt produzieren und ihn so mit den notwendigen Gütern versorgen, beeinflussen. Viele dieser Erzeugnisse legen tausende Kilometer zurück, bevor sie in unserem Einkaufswagen landen.
Die Länder des Nordens verbrauchen das, was auf der Südhalbkugel hergestellt wird. In den Ländern des Südens ist Arbeit aufgrund des hohen Arbeitskräfteangebots extrem billig - die Weltbevölkerung wächst in den sogenannten Entwicklungsländern stärker als in den entwickelten Ländern.
In China werden für eine Arbeitsstunde 0,13 $ gezahlt, und die Arbeit geschieht unter unmenschlichen Bedingungen (so beläuft sich die tägliche Arbeitszeit z. B. in Indonesien auf 12, in China auf 16 und in Sri Lanka auf 14 Stunden).
Von den neunziger Jahren an machte sich bei multinationalen Unternehmen die Erkenntnis breit, dass sich mit der Schaffung von Freihandelszonen (ZPE – Zonas de Processamento de Exportação), riesigen Arbeitsplatzbörsen in den armen Ländern, ihre Herstellungs- und Arbeitskosten in bisher ungeahntem Ausmaß verringern und die Gewinne maximieren lassen würden. Unternehmen, die mit ihren Verkäufen bislang 100% Gewinn gemacht hatten, steigerten ihren Gewinn auf 400%!! 1995 gab es 79 Freihandelszonen, heute beläuft sich deren Zahl in Ländern wie Brasilien, China, Nigeria, Mexiko, Indonesien oder Korea auf dreitausend, wo täglich Kleidung, Spielzeug, Elektronik und Gebrauchsartikel für Weltmarken wie Nike, Nestlé, IBM, General Motors und Wal-Mart produziert werden, um nur einige Beispiele zu nennen.{mospagebreak}
Diskrepanz der Einkommen
Aufgrund des enormen Ungleichgewichts bei der Einkommensverteilung haben lediglich 27% der Weltbevölkerung Zugang zum Markt, das heißt also, nur 27% sind Verbraucher der weltweit hergestellten Produkte. Diese 27% verbrauchen jedoch 80% dessen, was hergestellt wird. Die übrigen 73% können nur die restlichen 20% kaufen. 1999 belief sich die Zahl der in sogenannter „absoluter Armut“ lebenden Menschen auf 1,2 Milliarden – das sind Menschen, die täglich mit weniger als 1 U$ auskommen müssen, Menschen, die nicht einmal ihre Grundbedürfnisse befriedigen können: Nahrung, Gesundheit und Bildung. Das ist das Gesicht der sozialen Ungleichheit, das durch die derzeit herrschenden Marktbeziehungen erzeugt wird.
Die finanzielle Logik verschärft noch die wirtschaftliche Konzentration mit dem Ziel der Erhöhung der Investorengewinne. Die sogenannte Freiheit des Handels und die Wahlfreiheit des Verbrauchers sind Dogmen, die an etwas glauben machen, das nicht existiert - 80% der internationalen
Handelstransaktionen werden von den 200 größten Multis und ihren weltweit verteilten Filialen abgewickelt - eine solche vermeintliche Freiheit ist also nichts anderes als eine große, vom kapitalistischen System genährte Illusion, die auf Konzentration und Umgehung des Wettbewerbs und nicht auf der Förderung von Kleinunternehmen und lokalem Handel beruht.
Eine weitere schwerwiegende Folge der Marktentwicklung - deren Markstein die sogenannte Fordsche Revolution ist, die in den siebziger Jahren die Produktionsmittel im Zuge der beginnenden Serienproduktion revolutionierte - sind die Umweltkatastrophen. Die besorgniserregende globale Erwärmung stellt heute unsere Zukunft auf der Erde in Frage. Die Fabriken legen ein die Biodiversität unseres Planeten gefährdendes Umweltverhalten an den Tag, das sich beispielsweise in Entwaldung und der Wasserverschmutzung widerspiegelt. Beides führt zu einem großen Ungleichgewicht der Umwelt. Und die vermeintliche Wahlfreiheit des Verbrauchers? ... die besteht nur dann, wenn der Einzelne über genügend Mittel zum Konsumieren verfügt - andernfalls reicht sie nur so weit wie der Inhalt seines Geldbeutels und nicht für all die Wünsche, die das Marketing erzeugt.
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Fairer Handel oder Handel statt Hilfe
Vor dem Hintergrund dieser Realität, als Option und Alternative zu diesem weite Teile der Menschheit ausschließenden Handelssystem, tauchte in den sechziger Jahren der sogenannte Faire Handel auf.
“Handel statt Hilfe!“ lautete 1964 bei der Konferenz der Vereinten Nationen über Handel und Entwicklung das Motto, auf der die Schaffung eines Handelssystems diskutiert wurde, das die Ungleichheit in den Handelsbeziehungen zwischen den Ländern des Nordens und jenen des Südens abbauen, und damit eine gerechtere Neuverteilung unter Einbeziehung aller Länder und Produktionsarten ermöglichen würde.
Ziel des Fairen Handels ist die Vermarktung von Gütern, die es dem Verbraucher ermöglichen, sich für den Erwerb von Produkten zu entscheiden, die - ausgehend von ethischen Prinzipien - solidarisch und gerecht hergestellt wurden: In Bezug auf die Produzenten und deren Länder, auf die Umwelt, auf die Qualität und die Gesundheit des Verbrauchers.
Fairer Handel verfolgt einige Grundsätze, nämlich:
- Stärkung der Demokratie, Beachtung der Meinungs- bzw. Organisationsfreiheit und der kulturellen Identität,
- gerechte Produktions-, Wertschöpfungs- und Vermarktungsbedingungen,
- Unterstützung der nachhaltigen Entwicklung vor Ort,
- Beachtung von Umweltbelangen,
- Beachtung der Frauen-, Kinder- und Arbeiter(-innen)rechte sowie der Rechte ethischer Gruppierungen,
- Information und Transparenz für die Verbraucher.
Eine besondere Eigenschaft des Fairen Handels ist die Abschaffung überflüssiger Zwischenhändler in dem Versuch, Endverbraucher und Hersteller einander näher zu bringen und so einen Beitrag zur Stärkung der Unabhängigkeit des Produzenten und seiner genossenschaftlich organisierten Arbeiter zu leisten. Hält sich der Verbraucher in dem Bereich auf, wo auch produziert wird, erfährt der Absatz regionaler Erzeugnisse einen Schub; im Bereich des internationalen Handels wird anhand von Fairhandelsläden der Versuch unternommen, den Verbraucher über die Herkunft des Produkts und das hinter der Produktion stehende Projekt zu informieren, um so das Bindeglied zwischen Verbraucher und Produzenten zu stärken.{mospagebreak}
Ein weiteres typisches Merkmal der Fairhandelspraxis ist die Garantie für die Produzenten, ihre Produkte im Rahmen einer auf Dauer angelegten Geschäftsbeziehung zum Importeur vermarkten zu können. Hierbei werden dann gerechtere Preise praktiziert als jene, die im Rahmen internationaler Vereinbarungen festgesetzt werden, wie dies beispielsweise bei Kaffee, Kakao oder Baumwolle der Fall ist. Diese Erzeugnisse haben beim Fairen Handel einen festgelegten Mindestpreis, sodass die Hersteller Einkünfte erwirtschaften, die über den in den “comodities” praktizierten Preisen liegen und nicht den Schwankungen des internationalen Marktes unterworfen sind. Auf diese Art und Weise erlaubt es der Faire Handel den Produzenten, ihr Produktionssystem und ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern, ihre Familien zu unterhalten und die gesellschaftliche Stellung der Gemeinschaft, zu der sie selbst gehören, aufzuwerten.
Der gerechte Preis wird von Fall zu Fall ausgehandelt und muss alle Herstellungskosten, einschließlich der Umwelt- und gesellschaftlichen Kosten, abdecken sowie dem Erzeuger und dessen Gemeinschaft würdige Lebensumstände garantieren.Die gerechtere, ausgewogene Verteilung der mit dem jeweiligen Erzeugnis verbundenen Wertschöpfung zwischen den einzelnen Akteuren der Herstellungs- und Vermarktungskette zählt ebenfalls zu den Praktiken dieser alternativen Handelsform, die auf eine bessere Vergütung der Basisproduktion abzielt. Eine Praktik, die unter den heutigen Bedingungen des internationalen Handels nicht vorkommt.
Dem Weiterverarbeiter bzw. Importeur (das sind die großen supranationalen Konzerne) bleibt also das größte Stück aus dem Gewinn-Kuchen, während sich der Produzent am unteren Ende der Herstellungs- und Vermarktungskette mit dem kleinsten Stück begnügen muss, was zu großer gesellschaftlicher Ungleichheit führt und, als eine mögliche Folge hieraus, zu Gewalt, wie wir sie hauptsächlich in den großen städtischen Zentren Südamerikas vorfinden.
In Deutschland beläuft sich die Zahl der Fairhandelsläden auf 800, in ganz Europa auf 2.730 (CIDAC). Fairer Handel stellt für Verbraucher eine reale Alternative für bewusstes Handeln im Sinne im Sinne des „eine andere Welt ist möglich“ dar, in der der Mensch den ökonomischen Werten übergeordnet ist.{mospagebreak}
Definition des Fairen Handels nach FINE
“Fairer Handel ist eine Handelspartnerschaft, die auf Dialog, Transparenz und Respekt beruht und nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel strebt. Durch bessere Handelsbedingungen und die Sicherung sozialer Rechte für benachteiligte Produzenten und Arbeiter – insbesondere in den Ländern des Südens – leistet der Faire Handel einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung. Die Träger des Fairen Handels setzen sich aktiv (mit Unterstützung der Verbraucher) für die Stärkung der Erzeuger, für die Sensibilisierung der öffentlichen Meinung und für die Durchführung zielgerichteter Kampagnen für Änderungen bei den Regeln und Praktiken im konventionellen internationalen Handel ein”.
FINE: Zusammenschluss der vier wichtigsten internationalen Organisationen für den fairen Welthandel, nämlich:
FLO : Fair Trade Labelling Organisation Internacional
IFAT: International Federation os Alternative Trade
NEWS: Network of European Worldshops
EFTA: European Fair Trade Association